Thema Krieg und Flucht am Volkstrauertag

Nirov Mohammad: Schlimme Grausamkeiten beim Einmarsch der Türken in Nordsyrien

Nirov Mohammad – Foto: Heidi Fößel

„Ich heiße Nirov Mohammad, ich stamme aus Rojava, aus der Stadt Qamislo. Ich bin Kurdin und syrische Staatsbürgerin. Zum Volkstrauertag möchte ich heute über mein Leben im Krieg in Syrien sprechen und über die Lage meiner Verwandten in Rojava an der türkischen Grenze.

2011 hat der Krieg in Syrien begonnen. In diesem Krieg sind viele tausend Menschen gefallen und Millionen sind geflüchtet. Mein Mann ist 2013 geflüchtet. Vor seiner Flucht haben wir in Syrien geheiratet.

Ich habe in Damaskus an der Universität studiert. Mein Studienfach war Französisch. Weil der Krieg nach Damaskus kam, bin ich nach Deir Al Zoor gegangen. Der Krieg kam auch nach Deir Al Zoor und ich musste wieder flüchten. Der IS, der Islamische Staat, wir sagen der Daisch, hat die Stadt angegriffen. Die Menschen haben Allah Akbar gerufen. Es gab Gewehrfeuer in der Stadt. Der Daisch hat die Stadt erobert.


„Die Amerikaner haben

uns im Stich gelassen.“

Nirov Mohammad

Nach einer schrecklichen Nacht habe ich alles zurück gelassen – außer Kleidung und Ausweisen und bin nach Qamislo gefahren. Auf der Fahrt wurden wir ständig kontrolliert. Mal waren es Soldaten von Assad, mal Rebellen, mal war es der Daisch, mal kurdische Milizen. Wir haben unseren Fahrtweg ständig verändert, um nicht immer angehalten zu werden. Die Fahrt war sehr anstrengend und wir hatten immer Angst.

Ich habe dann über zwei Jahre zu Hause, in Qamislo, studiert. Als ich fertig war, habe ich meine Lehrerprüfung in Al Hasakah abgelegt. Bis heute warte ich auf mein Zertifikat. Nach drei Jahren habe ich meinen Mann Mesud wiedergesehen. Ich bin 2016 im Familiennachzug nach Deutschland und nach Lahr gekommen.

Ich möchte jetzt über meine Heimat Rojava sprechen: Rojava liegt an der türkischen Grenze. Es ist kurdisches Siedlungsgebiet. Die Kurden haben mit Hilfe der Amerikaner den „Islamischen Staat“, den Daisch besiegt. Rund 11 000 Kurden haben bei diesem Kampf ihr Leben verloren. Die Amerikaner haben uns im Stich gelassen.

Die Türkei möchte in unserem Siedlungsgebiet eine Million syrisch-arabische Flüchtlinge ansiedeln und die Kurden vertreiben. Deshalb hat am 9. Oktober 2019 die türkische Armee das Gebiet der Kurden in Nordsyrien überfallen. Dabei sind schlimme Grausamkeiten passiert in einem friedlichen Land. Bei ihrem Einmarsch sind Männer, Frauen und auch Kinder getötet worden. Die Menschen mussten ihre Häuser verlassen und sie leben in Schulen, in Zelten oder sogar auf der Straße.

Nirov Mohammad spricht über den Krieg in Syrien. – Heidi Fössel

Wie man in einem Zeitungsbericht der Badischen Zeitung von letzter Woche lesen konnte, gibt es in meiner Heimatstadt Soldaten verschiedener Nationen, die da nicht sein sollten. Es sind Türken, Russen und Amerikaner, der islamische Staat, syrische Regierungstruppen und syrische Rebellen, die in eine friedliche Gegend eingedrungen sind.

Unschuldige Menschen, auch Frauen und Kinder sind auf tragische Weise durch Bomben umgekommen oder getötet worden. Der Terror ist überall. Die Geräusche von Waffen, Granaten und Raketen sind überall. Alle haben Angst, dass sie die nächsten Opfer sind.

Ein Beispiel für die Tragödien, die sich in Rojava abspielen, ist ein junger Kurde. Er hat sich gewünscht, dass bei seinem Tod nicht geweint wird, sondern getanzt und gesungen. Bei der Beerdigung ihres Sohnes hat die Mutter seinen Wunsch erfüllt, sie hat am Grab getanzt und gesungen.“


Auch die lokale Presse hat über den Volkstrauertag in Lahr berichtet: Badische Zeitung und Lahrer Zeitung.